„Mach dein Tanzglück nicht von einem Partner abhängig!“
Judith Preuss, Leiterin der Tanzschule Mala Junta, spricht im Interview über führende Frauen, Veränderungen im Rollenverständnis und die große Freiheit, die ihr der Tango eröffnet hat.
Was steckt hinter dem Namen Mala Junta?
Es gibt einen Tango mit diesem Titel. Der Name lässt sich mit „schlechter Umgang“ übersetzen, bezeichnet ursprünglich, wie ich mal hörte, ein Pferdepaar, das vor der Kutsche nicht gut zusammen läuft. Der Name ist natürlich ironisch gemeint. Wir waren die erste teamfähige Tangoschule in Berlin. Und auch heute ist das Mala Junta genau der richtige Umgang für alle Tangointeressierten, die nach einer Gemeinschaft suchen, in der sie sich tänzerisch ausprobieren können.
Wie kamst du zum Tango?
Als ich 18 oder 19 Jahre alt war, hörte ich auf einer Party eine Schallplatte von -Piazzolla. Das war meine erste Begegnung mit dem Tango. Ich fing allerdings erst drei Jahre später an, Unterricht zu nehmen. Es gab deutlich weniger Führende als Folgende. Als ich die Lehrerin Irmel Weber kennenlernte, sagte die mir: „Lern das Führen und du kannst so viel tanzen, wie du willst.“ Genau das tat ich, und es stimmte: Dass ich beide Rollen konnte, hat mich in den Kursen und auf den Milongas freier gemacht.
Judith Preuss
- Geboren in Berlin
- Studierte Romanistik und Germanistik auf Lehramt
- Tanzt Tango seit 1991
- Unterrichtet Tango seit 1997
- Inhaberin der Tanzschule Mala Junta
Gab es in den Neunzigern mehr führende Frauen als heute?
Damals war Berlin viel progressiver. Es gab zum Beispiel regelmäßig große Frauenbälle mit Shows. Lehrerinnen wie Angelika Fischer und Brigitta Winkler tanzten und unterrichteten einen sehr emanzipierten Tango. Ich war während meines Pädagogikstudiums auch einige Zeit in Frankreich und lernte die Pariser Tangoszene kennen. Dort fiel ich als führende Frau sehr auf. Bei einem Besuch in Buenos Aires wurde ich sogar mal von der Tanzfläche geworfen, weil ich führte. Da war Berlin viel freier. Um die Jahrtausendwende gab es aber nicht nur in Berlin eine extreme Rückwende hin zu einem klassischen Mann-Frau-Rollenverständnis im Tango.
Wie kam das?
Ich weiß es nicht. Vielleicht weil sowohl die Argentinier als auch die Europäer begannen, nach dem vermeintlich traditionellen Tango zu suchen. Ich habe großen Respekt vor der Herkunft des Tangos, aber wir müssen hier in Berlin nicht alles nachahmen. Es braucht meiner Meinung nach auch keinen Regelkanon für Milongas. Die Leute sollen selbst aufpassen, dass sie nicht gegen den Tisch tanzen. Tango ist doch ein Tanz, der einem sehr viel Freiheit gibt!
War dein Freiheitsdrang ausschlaggebend dafür, dass du 2003 eine eigene Tanzschule eröffnet hast?
Nach meinem Studienexamen fragte mich mein Vater: „Judith, was machst du da eigentlich? Kindergeld bekommen wir jetzt nicht mehr …“ Ich gab schon länger Tangokurse, hatte aber in der Tanzschule keine Perspektive. Nun musste ich mich entscheiden, mein Referendariat zu machen oder einen Ort zu schaffen, an dem ich weiter Tango unterrichten konnte. Ich entschied mich für den Tanz. Damals traute ich mich aber nicht, allein eine Schule aufzubauen. Zur ersten Mala-Junta-Crew gehörten neben mir Raimund Schlie und Susanne Schrimpf. Inzwischen führe ich die Schule allein, unterstützt von meinem Mann, der mich immer wieder bittet, doch etwas unternehmerischer zu denken (lacht).
Was ist dein wichtigster Tipp für Tango-Lerndende?
Mach dein Tanzglück nicht von einem Partner abhängig, sondern entwickle deinen eigenen Tango! Das beherzige ich selbst auch als Lehrerin und bei Auftritten: Statt mich an einen Unterrichts- oder Tanzpartner zu binden, genieße ich es, mit vielen verschiedenen Menschen zu arbeiten und zu tanzen.
Worauf legst du beim Schulprogramm besonderen Wert?
Ich möchte, dass der Unterricht möglichst vielfältig ist: von Salontango bis zu akrobatischem Tango. Für ein breites Angebot braucht es viele unterschiedliche Lehrerinnen und Lehrer. Zu meiner großen Freude habe ich ein sehr diverses Team. Außerdem lade ich immer wieder Gastlehrerinnen und -lehrer für Workshops und Shows ins Mala Junta ein.
Deine Mittwochsmilonga gibt es seit 2003. Was ist dein Geheimnis?
Ich versuche, eine entspannte Atmosphäre ohne allzu viel Glamour oder Etikette zu schaffen, bei der sich Tänzer und Tänzerinnen verschiedener Tanzlevel wohlfühlen. Mal legen etablierte DJs auf, mal Neulinge. Die Leute können sich bei mir ausprobieren und weiterentwickeln. Das schätzen auch unsere Gäste.
Weitere Interviews mit Berliner Tangoschaffenden gibt es hier und im Tango-Guide Berlin.