„Erfahrene Tänzer sollten neue Leute besser integrieren“

Susanne Opitz und Rafael Busch führen gemeinsam die Schule Tangotanzen macht schön (TTMS). Im Gespräch erzählen sie, worauf es ihnen beim Unterrichten ankommt und warum Abgrenzung weder Tänzern noch Veranstaltern guttut.

Susanne Opitz und Rafael Busch
Das Lehrer-Duo Susanne Opitz und Rafael Busch.
Foto: Volker Beushausen

Inwiefern macht Tangotanzen schön?

Rafael: Der Tango ist für viele Tänzer ein Katalysator für eine persönliche Entwicklung. Es geht um Selbstwahrnehmung, um Berührung und Verbindung, um Kommunikation und die Fähigkeit, Konflikte lösen zu können, die beim Tanzen unentwegt auftreten. Wer Tango tanzt, tut nicht nur etwas Gutes für seinen Körper, sondern auch für seine Psyche.

Susanne: Beim Tanzen zeigt man sein Inneres – das berührt und offenbart eine besondere Art von Schönheit.

Wie kamt ihr zum Tango?

Rafael: Beide über das Theater, ganz unabhängig voneinander. Ich habe in Freiburg Tanztheater gemacht und sollte dort eines Tages einen Detektiv spielen, der auch Tango tanzt. Dafür nahm ich Unterricht in Basel – das ist ja nicht weit weg. Mich hat das so begeistert, dass ich kurz darauf gemeinsam mit meiner damaligen Freundin eine Tangoschule in Freiburg eröffnete. Das war 1993. Wir nutzten unsere Kontakte aus Basel, um Gastlehrer aus Argentinien einzuladen.

Susanne: Ich habe hier in Berlin Pädagogik studiert, mich aber immer schon sehr für Körperarbeit interessiert. Parallel zum Studium begann ich mit Pilates, tanzte Butoh und spielte Theater und Pantomime. Dann sollte ich für ein Theaterstück Tango lernen und das hat mich total geflasht! Dass sich zwei Menschen zusammen so bewegen können! Ich fand dann aber lange keinen Ort, an dem ich Tango so lernen konnte, wie es meinen Vorstellungen entsprach.

Was fehlte dir?

Susanne: Der Unterricht war Mitte, Ende der Neunziger sehr unflexibel. Man musste einen ganzen Kurs über 14 Wochen buchen. Es wurde ein festes Repertoire von Figuren unterrichtet, aber es mangelte an der Beschäftigung mit den Grundlagen. Ich verband Tango mit Pilates, weil das für mich gut zusammenpasste, und gab erste Kurse für Bekannte. Ab 2004 unterrichtete ich eine Zeit lang gemeinsam mit Thomas Rieser im Nou. In dieser Zeit lernte ich auch Rafael kennen.

Rafael: Ich hatte nach der Trennung von meiner Partnerin die Tanzschule in Freiburg aufgegeben und wollte in Berlin neu anfangen. Ich arbeitete in der Telekommunikationsbranche und nebenbei als Lehrer im Mala Junta. Susanne und ich fingen an, gemeinsam in unserer Loftwohnung Tangounterricht zu geben – das war der Beginn des Projekts „Tangotanzen macht schön“.

Susanne Opitz & Rafael Busch:

  • Susanne stammt aus Cottbus, Rafael aus Freiburg
  • Beide begannen in den 1990ern, Tango zu tanzen
  • Rafael unterrichtet seit 1993, Susanne seit 2003
  • Sie betreiben die Tanzschule Tangotanzen macht schön

Wie hast du eine passende Tangolehrmethode gefunden, Susanne?

Susanne: Erst als ich bei einem Festival in Leipzig einen Workshop bei den Argentiniern Dana Frígoli und Pablo Villarazza besuchte, fand ich, wonach ich gesucht hatte. Die beiden machten ein Warm-up und richtige Körperarbeit! Wie funktioniert Bewegung im Tanz, welche Kräfte wirken, wo ist die Achse? Genau nach diesem Zugang zum Tango hatte ich die ganze Zeit gesucht.

Rafael: Wir packten unsere elf Monate alte Tochter ein und gingen nach Buenos Aires. Dana und Pablo betrieben dort die Tanzschule DNI. Wir nahmen ein halbes Jahr lang Stunden und kamen mit vielen Ideen für unseren eigenen Unterricht zurück nach Berlin. Wir hatten schnell Erfolg: Die Leute rannten uns die Bude ein.

Habt ihr damals gleich eure Schule gegründet?

Susanne: Nicht sofort. Wir unterrichteten erst im Mala Junta und im Nou, dann auch im Art.13. Irgendwann wurde aber klar, dass wir was eigenes brauchen, um genau das machen zu können, was uns wichtig ist.

Rafael: Ich wusste schon, dass der Betrieb einer Tanzschule viel Arbeit macht. Susanne war klar die treibende Kraft. Sie hat diesen Ort hier in der Oranienstraße gefunden und das Studio aufwändig umbauen lassen. 

Susanne: Ich wollte keine halben Sachen machen. Für mich sind Qualität und Großzügigkeit auch Zeichen der Wertschätzung unseren Schülern gegenüber. Hier einen richtig guten Boden verlegen zu lassen, war sehr teuer. Aber der Boden ist nun mal das Herz einer Tanzschule. Dazu eine gute Musikanlage, professionelle Beleuchtung, eine Lüftung …

Rafael: Mir ist angesichts der Ausgaben ganz anders geworden. Aber es hat funktioniert: Im Mai 2022 konnten wir unser 13-jähriges Jubiläum feiern. Wir haben ein super Lehrerteam und die Schüler fühlen sich bei uns wohl.

Wie seid ihr durch die Pandemie gekommen?

Susanne: Belastend war vor allem, dass kein Ende absehbar war, dass wir nicht planen konnten. Wir wussten nicht, ob wir uns trauen sollten, den Saal zu renovieren, oder ob wir demnächst dicht machen müssen. Jetzt im Nachhinein kann man sagen, dass wir mithilfe der staatlichen Förderung alles gut überstanden haben. Und wir haben tatsächlich renoviert.

Rafael: Spätestens im Herbst werden wir schauen, ob wir wieder ein eigenes Milongaformat etablieren. Das wird aber wohl nicht wöchentlich, sondern eher monatlich stattfinden, weil wir beide etwa jede dritte Woche auf Tangoreise sind.

Was mögt ihr an Tangoreisen besonders?

Susanne: Die Leute kommen nicht von der Arbeit, sondern machen mit uns Urlaub. Wir haben mehrere Tage am Stück Zeit zum gemeinsamen Üben. Da gibt es immer eine Entwicklung im Tanz. Es ensteht eine Community und auch das wirkt sich positiv auf das Tanzerlebnis aus. Viele Teilnehmer sind deshalb Wiederholungstäter.

Rafael: Corona hat die Tanzszene sehr gespalten. Reisen helfen dabei, die Leute wieder zusammenzuführen.

Wie steht es um die Berliner Tango-Community? 

Rafael: Trotz des krassen Wettbewerbs treten Konflikte unter den Berliner Schulbetreibern und Veranstaltern nur vereinzelt auf. Wir alle wissen, dass in einer Riesenstadt Vernetzung besser funktioniert als Kampf. Leben und leben lassen, lautet die Devise.

Susanne: Schade finde ich, dass bei den Milongas in Berlin die Durchmischung fehlt. Abhängig von Tanzniveau und Alter gehen die Leute zu ganz unterschiedlichen Milongas. Bei Facebook kann ja jeder sehen, wo es die Crowd gerade hinzieht. Erfahrene Tänzerinnen und Tänzer sollten neue Leute besser integrieren, also auch mal eine Tanda mit einem Anfänger tanzen. Abgrenzung tut nicht gut, weder als Tänzer noch als Mensch.

Mehr Interviews mit Berliner Tangoschaffenden findet ihr hier und im Tango-Guide Berlin.